Vier Millionen Jahre Mensch

Ausstellung im Lokschuppen Rosenheim
vom 22. Mai bis 06. September 1998

Vorwort von Prof. Dr. Gunther Nogge

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das über sich selbst nachdenkt. Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Seit der Entdeckung der frühmenschlichen Fossilien 1856 im Neandertal, nur 30 km entfernt von Köln, und dem Erscheinen des grundlegenden Werkes über "Die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese" von Sir Charles Darwin im Jahre 1859 hat die Frage, ob der Mensch vom Affen abstammt, die Gemüter erregt.


Darwin
Eines ist unbestritten: Wir stammen weder vom Gorilla noch vom Orang-Utang, Schimpansen oder Bonobo ab.

Bonobo
Diese sind vielmehr unsere Vettern. Wenn wir die Ahnenreihe aber an die 10 Millionen Jahre zurückgehen, stoßen wir auf gemeinsame Urahnen, und die waren natürlich Affen.

In der Sonderausstellung "Vier Millionen Jahre Mensch" präsentieren die führenden Paläoanthropologen der Welt die neuesten Erkenntnisse über die Evolution des Menschen, zweifellos die umfassendste und faszinierendste Ausstellung, die es jemals zu diesem Thema gegeben hat.


Rekonstruierter Homo erectus Schädel
Authentische Dioramen mit elektronisch animierten Rekonstruktionen von Vor- und Frühmenschen lassen die Geschichte der Menschwerdung lebendig werden.

Der Mensch, der sich selbst als "Krone der Schöpfung" betrachtet, hat sich über die gesamte Erde verbreitet und war in der Lage, sich sämtliche Lebensräume von den tropischen Regenwäldern und Wüstengürteln bis zum Hochgebirge und der eisbedeckten Tundra zu erschließen. Dabei hat er über 99 % seiner Geschichte als barfüßiger Jäger und Sammler die Natur durchstreift. Erst vor 10 000 bis 20 000 Jahren erfand er den Ackerbau, domestizierte Tiere für seine Fleischversorgung und wurde seßhaft. Heute ist die Masse der Menschen an der Nahrungsproduktion gar nicht mehr beteiligt. Sie haben dadurch den Kontakt zu ihrer natürlichen Umwelt als ihrer Lebensgrundlage verloren und ignorieren auch die für ihr Leben und Überleben bestehende Abhängigkeit von der Erhaltung des natürlichen Gleichgewichts der Erde.

Vor 10 000 Jahren lebten schätzungsweise 2 Millionen Menschen auf der Erde, 3.500 v. Chr. Waren es 20 Millionen und um die Zeitenwende schon 200 Millionen. Es dauerte noch 1.800 Jahre, bis die erste Milliarde erreicht war. Heute gehen wir auf die 6 Milliarden zu, und die Verdopplungszeit beträgt nur noch 30 Jahre. Unser Erfolg scheint uns jedoch zum Verhängnis zu werden. Durch die Ausbeutung sämtlicher natürlicher Ressourcen sowie zivilisationsbedingte Belastungen von Böden, Gewässern uns Atmosphäre bringen wir unsere eigene Existenz in Gefahr. Die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten bleibt zwangsläufig auf der Strecke.

Wir müssen damit rechnen, daß die Hälfte aller Tierarten die nächsten 100 Jahre nicht überleben wird. Zu den vom Aussterben bedrohten Arten gehören auch unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen.

Von allen Tieren im Zoo üben sie die größte Faszination auf uns aus. Dies liegt an ihrer großen Menschenähnlichkeit, sowohl im Aussehen, wie im Verhalten. Nach neuesten genetischen Forschungsergebnissen unterscheiden sich z.B. Schimpansen und Menschen nur in 1,6 % ihrer Erbanlagen. Diese Erkenntnis hat jüngst eine Gruppe von Tierrechtlern veranlaßt, auch für Menschenaffen die Menschenrechte einzufordern. Diese Forderung ist sicher überzogen, und wenn man sie konsequent durchdenkt, absurd. Aber sie provoziert uns, über unseren Umgang mit unseren nächsten Verwandten nachzudenken.

Unsere gemeinsamen Vorfahren lebten im tropischen Regenwald. Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos leben heute noch dort. Erst das Zurückweichen des Regenwaldes setzte unsere Vorfahren der freien Landschaft aus. Die neuen Lebensverhältnisse und deren Bewältigung waren die Triebkräfte in der Entwicklung des Menschen.

Die Expansion des Menschen über die gesamte Erde hat zwar auch einige Völker in die Regenwälder gedrängt. Aber sie lebten hier über Millionen Jahre in friedlicher Koexistenz mit den Menschenaffen. Heute ist das Ökosystem tropischer Regenwald einer so starken Druckwelle menschlicher Aktivitäten ausgesetzt, daß die letzten Populationen sowohl der Menschenaffen wie auch der sogenannten Naturvölker überrollt werden. 50 % der Tropenwälder wurden innerhalb der letzten 30 Jahre – einer einzigen Generation – vernichtet. Derzeit werden pro Minute etwa 32 ha Tropenwald abgeholzt, das entspricht der Fläche des Kölner Zoos in 40 Sekunden.

Im Kölner Zoo haben Familiengruppen von Orang-Utans, Gorillas und Bonobos einen Ersatzlebensraum gefunden. Sie sind eine lebende Mahnung, der Vernichtung ihrer natürlichen Lebensräume Einhalt zu gebieten, denn sie sind Botschafter ihrer in der Natur bedrohten Artgenossen und der vielen andren, ebenso bedrohten Tier- und Pflanzenarten ihres geschundenen Lebensraumes. Sie wollen die Menschen auf den Zustand der Natur aufmerksam machen und sie zu einem Umdenken im Umgang mit der Natur bewegen.

Villeicht trägt die Ausstellung "Vier Millionen Jahre Mensch", die Beschäftigung mit unserer Vergangenheit, dazu bei, daß wir uns nicht nur unserer Wurzeln, sondern auch unserer Verantwortung für unser natürliches Erbe bewußt werden.

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